Erfahrungsbericht: Stromer ST1 - Ein Jahr mit dem S-Pedelec

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Ziemlich genau ein Jahr ist es jetzt her das ich den Entschluss fasste mir ein S-Pedelec von Hersteller "Stromer", für den alltäglichen Weg zur Arbeit, zuzulegen. Zeit ein kleines Resümee zu ziehen.

Die Reaktionen, welche ich in der Öffentlichkeit ernte, gehen bei dem Thema recht weit auseinander. Von Neugier "Cool, wie fährt es sich denn?", über einen Daumen nach oben aus dem offenen Fenster, bis hin zu "Verpiss dich von der Straße, da drüben ist ein Radweg!", alles mit dabei. Und ja, im Straßenverkehr muss man teilweise Nerven wie Drahtseile haben, wenn man mit solch einem Gefährt unterwegs ist. Aber dazu später mehr. Fangen wir am Anfang an.

Mein täglicher Weg zur Arbeit beträgt ca. 15km. Eine ideale Entfernung fürs E-Bike oder S-Pedelec. Und da ich ohnehin etwas mehr Bewegung in den täglichen Arbeitsweg einbauen wollte, fasste ich die Entscheidung mit so ein Teil anzuschaffen.

Von der Fahrzeit her, muss ich sagen, macht es fast keinen Unterschied ob ich so oder mit dem Auto unterwegs bin. Auto 25 bis 30 Minuten, S-Pedelec 30 bis 35 Minuten. Und auch fürs Immunsystem wirkt sich das äußerst positiv aus. In dem Jahr das ich jetzt so bei Wind und Wetter unterwegs bin, war ich kein einziges Mal krank. 

Ich habe mich für das 2022-er Modell vom Stromer ST1 entschieden. Und technisch gesehen bezieht sich dieser Erfahrungsbericht auf exakt dieses Modell. Andere Modelle und Hersteller kann ich nicht beurteilen da ich hierzu keine Vergleiche habe.

Angegeben ist das Modell, mit dem großen Akku, mit einer Reichweite von bis zu 160km. Und ich muss sagen, das ist mehr als optimistisch angegeben. Selbst bei gemütlicher Fahrt, auf niedrigster Unterstützung, schafft man damit kaum mehr als 60 bis maximal 80km. Wie die auf die angegebene Reichweite kommen, mir schlicht ein Rätsel. Vielleicht wenn ich's schiebe.... nee, ok, lassen wir das. 

Das die Reichweitenversprechen diverser Hersteller ein wenig geschönt werden, ist weitläufig bekannt. Die Reichweite vom Stromer kann man jedoch nüchtern betrachtet nur als Werbelüge bezeichnen. In der Praxis fahre ich damit 15 Kilometer morgens hin und komme mit rund 65% SoC an. Abends, 15 Kilometer später zurück daheim, stehen noch rund 10 bis 25% Restkapazität auf dem Display, und es muss ans Ladegerät. Wer etwas nachrechnet, merkt schnell das sich die zweite Akkuhälfte schneller entlädt als die erste. Im Winter, gerade bei Temperaturen um die Null Grad oder tiefer, verringert sich die Reichweite nochmal drastisch. Das führt dazu das selbst auf niedrigster Stufe der Akku nicht mehr für hin- und Rückweg reicht. Zum Glück unterstützt mein Arbeitgeber meine Mobilität so dass ich auf Arbeit nachladen darf. Wer das nicht kann hätte spätestens im Winter ein Problem. Denn wer denkt, mit leeren Akku wird das Ding einfach zum Fahrrad, der liegt falsch. Das hohe Fahrzeuggewicht und der Nabenmotor im Hinterrad bremsen das Teil so dermaßen aus das man kaum schneller als 15km/h schafft und sich dabei wie auf einem Heimtrainer fühlt. Für ein Gefährt, welches ausschließlich auf der Straße bewegt werden darf, die reinste Tortur. 

Apropos Straßenverkehr: Man wird zum Feind vieler Autofahrer. Das man oft ohne Mindestabstand, außerorts teilweise sogar mit mehr als 50km/h Geschwindigkeitsdifferenz, überholt wird ist an der Tagesordnung. Bereits in der ersten Woche auf dem Gerät wurde ich mehrfach angehupt, aus offenen Fenstern angeschrien und teilweise belehrt oder sogar beleidigt. Die Tatsache das ich vom Gesetz her nicht auf Radwege darf stößt bei vielen Autofahrern schlicht auf Unverständnis. Und das entlädt sich dann oft in meine Richtung, anstatt in Richtung des Gesetzgebers. Zwar hat das Land NRW mittlerweile die Nutzung ausgewiesener Radwege freigegeben, allerdings liegt die Entscheidung, welche Radwege explizit frei gegeben werden, bei den Kommunen. Und gerade hier im ländlichen Raum tut sich da überhaupt nichts. 

Objektiv betrachtet hat das beleidigt und angehupt werden allerdings im letzten Jahr nachgelassen. Entweder wissen mittlerweile mehr Leute was sie da vor sich haben, oder sie haben einfach nur resigniert und mich als unbelehrbar abgestempelt. Nichts desto trotz trübt die Gesetzeslage das Pendeln mit dem S-Pedelec gewaltig. 

Überhaupt wird die 45km/h Höchstgeschwindigkeit beim S-Pedelec von allen Seiten hier missverstanden. Klar, technisch habe ich Trittunterstützung bis zu dieser Geschwindigkeit, aber es ist nur eine Unterstützung. Ich selber muss dafür ebenfalls stark in die Pedale treten. Beim gemütlichen Fahren ist man hingegen eher mit einer Geschwindigkeit von 30 bis 35km/h unterwegs. Die Vorteile spielt das S-Pedelec eher in Steigungen aus. Auch Bergauf, wo ich mit meinem alten E-Bike maximal mit 10 bis 15 Stundenkilometern unterwegs war, komme ich mit dem Stromer jetzt immer noch auf 25, also die normale Fahrrad-Geschwindigkeit.

Ich kann die Bedenken des ADFC durchaus verstehen, wenn sie sagen das S-Pedelecs zu schnell für Radwege sind. Aber was würde gegen eine Höchstgeschwindigkeit auf Radwegen sprechen, insofern ich sie dann stellenweise mitbenutzen dürfte? Wenn ich mein Zweirad zuhaause abstelle, und ins Auto steige, kommt auch niemand auf die Idee mir zu unterstellen ich könnte mich nicht an Geschwindigkeitsbeschränkungen halten. Ich darf ohne Einwände innerorts fahren, obwohl mein Auto technisch auch 160 Kilometer die Stunde schaffen würde. Warum wird mir im Auto die Fähigkeit anerkannt, mich an Geschwindigkeiten zu halten, auf dem S-Pedelec jedoch abgesprochen? Das Teil hat auch einen Tacho und ein Nummernschild. Und auch einen Führerschein benötigt man, um es zu fahren.

So, nach dem kleinen Exkurs, zurück zur Technik: Im vergangenen Jahr habe ich nun knapp 6000km zurück gelegt. Und die bei Sonnenschein, im strömenden Regen und bei Frost. Grundsätzlich hat das Gefährt die Strecke recht gut weg gesteckt. Ich hatte mir einst ausgerechnet das sich das Stromer-Bike nach 4 Jahren durch die eingesparten Benzinkosten amortisiert hat. Die Rechnung muss ich jedoch mittlerweile als utopisch einstufen, denn bereits nach 6000km fangen die ersten Verschleißerscheinungen an. Und 24000km wird man sicher nicht ohne große Reparaturen auskommen.

Der Akku zeigt erste Kapazitätseinbrüche. Auch bei sommerlichen Temperaturen wird der tägliche 30km-Weg auf voller Unterstützung recht knapp. Ein neuer Akku für das Bike kostet bei Stromer eben mal schlappe 2000€. Immerhin bietet ein externer Dienstleister die Überholung des vorhandenen Akkus für rund 1000€ an. Schon günstiger, aber immer noch kein Schnäppchen.

Bei rund 4000km ist mir der Hupentaster vom linken Bremshebel, im Rahmen der selbst durchgeführten Wartung, beim Nachziehen der Schrauben abgebrochen. Das Ersatzteil gibt es für 20 Euro, also wollte ich es eben selber tauschen. Der Einbau zeigte sich jedoch alles andere als wartungsfreundlich. Ich musste hierfür einfach alles zerlegen, um das Kabel, bis zum Display, durch den Rahmen zu fädeln. Akkuhalter, Kabelführungen, Steuergerät, alles raus. Um das Ganze, bei den beengten Platzverhältnissen im Rahmen, wieder zusammen zu bekommen, muss man mindestens Tetris-Weltmeister sein. Dieser kleine Taster-Tausch erwies sich als Tagesaufgabe.

Ein weiterer Mangel an dem Modell ist die Aufnahme der Sattelstütze. Im Auslieferungszustand rutscht der Sattel während der Fahrt immer wieder nach unten. Hier hilft nur die Hülse raus zu nehmen und mit Bremsenreiniger abzuwaschen. Dann von außen fetten, von innen aber trocken lassen. Klemmt gut, fängt dafür aber nach einiger Zeit immer wieder an zu knacken. Dann hilft nur "Teil wieder raus" und den Prozess wiederholen.

Was ebenfalls mittlerweile knackt ist das Tretlager. Scheint ein Schwachpunkt an dem Modell zu sein, wenn man diversen Foreneinträgen Glauben schenkt. Nach rund 5000km hatte sich die zentrale Schraube vom Kurbeltrieb los gelaufen. Aber auch ein fest ziehen mit Drehmoment brachte nur kurzzeitig Erlösung. Hier scheint sich ein gewisses Spiel gebildet zu haben was dazu führt das sie sich beim Treten immer wieder löst. Ich werde demnächst nochmal versuchen sie mit Loctite einzusetzen. Wenn das nicht hilft wird irgendwann ein neuer Kurbeltrieb fällig. Dieser kostet jedoch weit über 200 Euro.

Bleiben wir beim Antriebsstrang. Stromer empfiehlt die Kette nach 3000 Kilometern zu tauschen. Meine läuft immer noch wunderbar. Da der Motor im Hinterrad sitzt, und nicht über die Kette wirkt, ist diese auch nicht so sehr belastet wie bei anderen E-Bikes mit Mittelmotor. Da man beim Tausch die Kette auch inklusive der hinteren Schaltkassette tauscht, sehe ich dem ganzen auch recht gelassen entgegen. 

Als Reifen kommen im Auslieferungszustand Gummis von VeeTire zum Einsatz. Die sind kurz gesagt Schrott. Porös und rissig wurden sie schon bei 2000km, und nach 3000km war dann entgültig Ende. Der hintere Reifen riss entlang der Wulst ein und auch das mehr als dürftige Profil war restlos verschlissen. Als Ersatz habe ich dann von Continental den E-Contact Reifen mit 45km/h Zulassung aufgezogen. Dieser läuft wesentlich besser, hat mehr Profil und besseren Grip. Hat jetzt auch schon 3000km runter, zeigt aber im Gegensatz zu dem VeeTire noch keine Ermüdungserscheinungen, und auch Profil ist noch ausreichend vorhanden.

Fazit:

Alles in allem habe ich den Kauf nicht bereuht, obwohl knapp 5500 Euro, die Stromer für das kleinste Modell im Portfolio veranschlagt, schon eine ganze Stange Geld sind. Bei dem Preis hätte ich mir ein wenig mehr Verarbeitungsqualität gewünscht. Und gerade bei den Reifen haben sie am falschen Ende gespart. Allerdings werden S-Pedelecs als Fortbewegunsmittel zum Pendeln zur Arbeit beworben. Und hierfür müssen sie qualitativ schon für mehr Kilometer ausgelegt sein. Das die ersten großen Reparaturen schon nach rund 5000 Kilometern los gehen, ist nicht gerade etwas das sich mit dem täglichen Gebrauch vereinbaren lässt. Und immerhin kratzen die S-Pedelecs von Stromer preislich schon an den Preisen von neuen Kleinwagen. Diese schaffen dann aber weitaus mehr Kilometer ohne die ersten Ermüdungserscheinungen. Letztendlich muss jeder selber wissen ob er bereit ist soviel Geld dafür auszugeben. Und ob S-Pedelecs anderer Hersteller da besser oder schlechter sind, kann ich nicht beurteilen. Fest steht jedoch, das wenn der Gesetzgeber in Sachen Straßenverkehrsordnung noch etwas nachbessern würde, dem ungetrübten Fahrspass nichts mehr im Wege stehen würde. Denn Spaß machen die Gefährte allemal.